weather forecast

artist duo

EN

weather forecast, consisting of Esther Vorwerk and Martian M. Mächler, is a performance project that aims to actively co-create spaces in which different forms of grief can be openly acknowledged and accommodated.

We write and create sounds and performances. For us grieving is not something to overcome, not something that is linear and not something singular. Grief is meant to be experienced collectively. We want to go beyond isolation and find a way of grieving together, that gives space to everyone’s own way of grieving, but not alone. We furthermore don’t think grieving should be productive. We are here to be unproductive, we are here to rest, we are here to become tender and vulnerable together. We’re looking for possible forms for a space dedicated to collective mourning as a resistance to individualist neoliberal ways of negating death, loss and its trope of resilience that so often leaves people with a feeling of solitude.

DE

weather forecast, bestehend aus Esther Vorwerk und Martian M. Mächler, ist ein Performance-Projekt, das Räume schafft, in denen verschiedene Formen der Trauer offen anerkannt und beherbergt werden können. Wir schreiben und kreieren Klänge und Performances. Für uns ist Trauer nicht etwas, das es zu überwinden gilt, nicht etwas, das linear verläuft und nicht etwas Singuläres. Trauer ist dazu da, gemeinsam gelebt zu werden. Wir wollen über die Isolation hinausgehen und einen Weg finden, gemeinsam zu trauern, der jedem seine eigene Art zu trauern ermöglicht, aber nicht allein. Wir sind ausserdem der Meinung, dass Trauer nicht produktiv sein sollte. Wir sind hier, um unproduktiv zu sein, wir sind hier, um zu ruhen, wir sind hier, um gemeinsam zärtlich und verletzlich zu sein. Wir suchen nach möglichen Formen für einen Raum, der der kollektiven Trauer gewidmet ist, als Widerstand gegen individualistische neoliberale Formen der Negierung von Tod, Verlust und der damit verbundenen Tropes der Resilienz, die Menschen so oft mit einem Gefühl der Einsamkeit zurücklässt.

TAKE AWAY CARDS

Für die Ausstellung IntraLoggia, die im September 2023 in Zürich stattfand, haben Weather Forecast vier Take Away Cards (je in deutsch und englisch) geschrieben, welche von Besuchenden mitgenommen werden konnten. Es handelt sich dabei um Scores, inspiriert von CA Conrad’s Somatic Poetry, die im Alltag angewendet werden können, einen Raum schaffen können, und auch für die Zusammenarbeit und Textproduktion von weather forecast wichtig sind.

READING

Eingeladen vom KOBO Art Space in Zürich, für das Festival TAKE II haben Weather Forecast einen Text vorgelesen, der auf der Arbeit mit den Scores der Take Away Cards basiert.

Textauszüge

Dear Cloud,

last time I saw you, the sky was blue. Like this intense blue that hurts my eyes. You were siting there, smiling at me. I was deep in my thoughts, just noticing you briefly. You sat still. I was planning my next steps, trying to get an order into my life, trying to understand the concept of prioritizing. Everything seemed important to me. Like always. I wanted to prove my existence. Again. I wanted to be okay. Wanted people close to me to be okay. Wanted people to be okay.

I was scared. I am scared.

You had an almost round shape with loose ends. I want to be a round shape with loose ends flying in the blue sky. I want to disappear afterwards. I want you to become me. A cloudbody dissolving into the streets. Appearing again in a different form at a different place at a different time.

Ich habe vergessen, was ich sagen wollte. Ich habe all diese Gedanken und dabei sticht nur der Rücken.

Ich bin müde.

Ich kann mich gerade schwer daran erinnern, wie du ausgesehen hast. Vielleicht warst du mehr ein Gefühl. Vielleicht warst du ein Wegfliegen. Vielleicht warst du ein “Tränen-fließen-lassen”.

Ich weine jeden Tag mindestens ein Mal. Es kommt mir wenig vor.

Ich habe keine Zeit zu weinen, ich muss Geld verdienen.

dear cloud please get down here and cover me with your rain drops like a warm blanket

can you tell me stories about places you`ve been to make me fall asleep again after all these sleepless nights can you tell me everything will be fine in the end or better it’s okay to be lonely it’s okay to be in pain it’s okay to hide it doesn’t have to be different

it’s okay

dear cloud can you maybe cover the sun a bit longer

just to prevent it from waking me up after singing your lullaby

dear cloud I would like to learn to lean on someone Maybe I can lean on you for a bit just to practice or maybe you can take me with you pick me up let me be a body of clouds a drop in your blankets

dear cloud you are the many I want do you want me too can I trust you or do you need time

dear cloud I would just like to get to know you a little and let you get to know me I don’t know

dear cloud just take me and let us dissolve into rain together

Liebes grosses Grau Du warst in den letzten Wochen, Monaten, immer da. Egal wohin ich ging. Manchmal feucht, an mir klebend, ein glänzender Film, aber sehr oft mit mehr Distanz, in blosser Sichtweite. Ich weiss nicht, wie ich dich genau beschreiben soll. Du beginnst irgendwo, manchmal mittendrin - einige Häuser hast du dann zur Hälfte bereits verschluckt. Baumstämme, die direkt ins Grau hineinwachsen. Die Kleine Stäbe, Striche werden. Zahnstocher. Du bist gross, grösser als dass ich deine Form ausmachen könnte.

Und gestern warst du weg. Das Vogelzwitschern klang auch nach Frühling. Ich habe mich gefragt, wann das genau passiert ist. Und warum.

Warum will ich von dir als ein du, mit nur einem Körper denken, obwohl ich es besser weiss? Eine Einheit? Ein Körper, der arbeitet, vielleicht abwechselnd in verschiedenen Jobs. Als hättest du gestern kurz Pause gemacht.

Ich glaube, ich brauche eine Pause. Vor allem Erholung. Die letzten Wochen waren sehr streng. Du warst ja auch so gut wie immer dabei.

Habe ich dir schon mal erzählt, dass ich nie richtig weiss, wie ich mich erholen kann oder soll? Ich bewundere Menschen, die das hinzukriegen scheinen. Dass ich es nicht weiss, oder immer wieder nicht mehr weiss, beschämt mich immer und immer wieder. Ich sage immer wieder, dass ich mich erhole, wenn ich ein Buch lesen kann, das mich aufschluckt, in sich aufnimmt, mitnimmt. Aber es gibt sehr viele Texte, die mich draussen lassen, anspannen. Oder von welchen ich nicht aufgeschluckt werden will. Manchmal kann dasselbe Buch all das tun, je nachdem, wo ich bin, was ich fühle und was mit mir mitschwingt.

Ich hätte dir gerne öfters geschrieben, aber anstelle dessen habe ich meine Gedanken gesammelt, und schreibe sie nun erst auf. Sowas wie eine heftige Regenschauer, einfach laute Tastenschläge, damit ich weiterziehen kann? Mich hinlegen kann? Mich ausruhen kann? Wie ruhst du dich aus? Wusstest du, dass relief rainfall auf Deutsch Steigungsregen genannt wird? Erleichterung ist da nicht direkt sichtbar. Steigungsregen ist eine Form von Niederschlag. Aufgestaute Wolken an der Seite von Hindernissen, auf welche der Wind direkt trifft. Als Hindernisse kann man sich Berge vorstellen. Einige Berge hattest du in letzter Zeit auch aufgeschluckt und festgefrorener Speichel liegen gelassen.

(…)